Die 3 Bestand­tei­le eines Gesetzentwurfs

Deutscher Bundestag.
Der Deut­sche Bundes­tag: Hier werden die Geset­zes­vor­la­gen einge­bracht und bera­ten (Bild: simonschmid614/Pixabay).

Mit dem Doku­men­ta­ti­ons- und Infor­ma­ti­ons­sys­tem für Parla­ments­ma­te­ria­li­en (DIP) – eine gemein­sa­me Insti­tu­ti­on von Bundes­tag und Bundes­rat – steht allen inter­es­sier­ten Bürge­rin­nen und Bürgern eine einfa­che Möglich­keit zur Verfü­gung, um Einblick in das parla­men­ta­ri­sche Wirken in der Haupt­stadt zu nehmen.

Vor allem Geset­zes­vor­la­gen, die in Form von Bundes­tags­druck­sa­chen veröf­fent­licht werden, stoßen dabei häufig auf ein beson­de­res Inter­es­se. Ist erst einmal eine solche Druck­sa­che erfolg­reich recher­chiert, erge­ben sich bei (uner­fah­re­nen) Lese­rin­nen und Leser häufig Fragen zum Aufbau des Dokuments.

Grund­sätz­li­ches

Der wesent­li­che Aufbau einer Geset­zes­vor­la­ge bestimmt sich aus § 42 der Gemein­sa­men Geschäfts­ord­nung der Bundes­mi­nis­te­ri­en (GGO). Danach muss eine Geset­zes­vor­la­ge neben dem Entwurf des Geset­zes­tex­tes (Gesetz­ent­wurf) und einer dazu­ge­hö­ri­gen Begrün­dung zusätz­lich über eine voran­ge­stell­te Über­sicht (das soge­nann­te Vorblatt) verfü­gen, die entspre­chend der Anla­ge 3 der GGO auzu­ge­stal­ten ist. 

Des Weite­ren kann es sein, dass der Natio­na­le Normen­kon­troll­rat (NKR) eine Stel­lung­nah­me zum Entwurf abgibt. Diese ist dann – eben­so wie eine Stel­lung­nah­me der Bundes­re­gie­rung hier­zu – der Geset­zes­vor­la­ge beizu­fü­gen (vgl. § 45 Absatz 2 GGO).

Ähnlich verhält es sich beispiels­wei­se bei Geset­zes­vor­la­gen der Bundes­re­gie­rung, die gemäß Arti­kel 76 Absatz 2 GG zunächst dem Bundes­rat zuzu­lei­ten sind. Soll­te sich der Bundes­rat zur Abga­be einer Stel­lung­nah­me entschlie­ßen und legt die Bundes­re­gie­rung in der Folge ihre Auffas­sung dazu dar, ist beides – Stel­lung­nah­me und Gegen­äu­ße­rung – der Geset­zes­vor­la­ge als Anla­ge beizufügen. 

Der folgen­de Text behan­delt vorran­gig die drei Bestand­tei­le, die in jeder Geset­zes­vor­la­ge wieder­zu­fin­den sind – also das Vorblatt, den Gesetz­ent­wurf und die Begründung.

1. Das Vorblatt

Sinn und Zweck des Vorblatts ist es, der Lese­rin bzw. dem Leser eine kurze und knap­pe Über­sicht über die wesent­li­chen Eckda­ten des Geset­zes­vor­ha­ben an die Hand zu geben. Um die Orien­tie­rung zu verein­fa­chen, ist der Aufbau und die Glie­de­rung des Vorblatts gemäß der Anla­ge 3 zu § 42 Absatz 1 GGO weit­ge­hend standardisiert.

Hier­nach soll­te das Vorblatt folgen­de Glie­de­rungs­punk­te umfassen:

  • Problem und Ziel
  • Lösung
  • Alter­na­ti­ven
  • Haus­halts­aus­ga­ben ohne Erfüllungsaufwand
  • Erfül­lungs­auf­wand
  • Weite­re Kosten

Unter „Problem und Ziel“ wird das „Warum“ der vorlie­gen­den Geset­zes­vor­la­ge beschrie­ben, während unter „Lösung“ das grund­sätz­li­che „Wie“ erläu­tert wird. „Alter­na­ti­ven“ werden hinge­gen nur selten benannt – es versteht sich von selbst, dass die Verfas­ser des Gesetz­ent­wurfs ihre Lösung als alter­na­tiv­los ansehen.

Die weite­ren Punk­te setzen sich vor allem mit den Geset­zes­fol­gen und hier vor allem mit den Kosten, die sich durch die Umset­zung der Geset­zes­vor­la­ge erge­ben würden, ausein­an­der. „Haus­halts­aus­ga­ben ohne Erfül­lungs­auf­wand“ werden getrennt für Bund, Länder und Kommu­nen ausge­wie­sen. Der „Erfül­lungs­auf­wand“, also die gesam­ten Kosten sowie der gesam­te Zeit­auf­wand, der durch die Umset­zung der neuen Rechts­vor­schrift entste­hen würde, unter­glie­dert sich hinge­gen wie folgt:

  • Erfül­lungs­auf­wand für die Bürge­rin­nen und Bürger
  • Erfül­lungs­auf­wand für die Wirtschaft
  • Erfül­lungs­auf­wand für die Verwaltung

Im Erfül­lungs­auf­wand werden beispiels­wei­se die Büro­kra­tie­kos­ten darge­legt, die aus der Einfüh­rung neuer Infor­ma­ti­ons­pflich­ten entste­hen. Demge­gen­über werden unter „Weite­re Kosten“ sons­ti­ge Belas­tun­gen der Wirt­schaft, Kosten für die Sozi­al­ver­si­che­rungs­sys­te­me oder Auswir­kun­gen auf die Verbrau­cher­prei­se beschrieben.

2. Der Gesetzentwurf

Nach dem Vorblatt folgt sodann der eigent­li­che Gesetz­ent­wurf, der zunächst mit der Über­schrift einge­lei­tet wird. Bestand­tei­le der Über­schrift sind

  • die Bezeich­nung des Gesetzes, 
  • die Kurz­be­zeich­nung des Geset­zes (optio­nal),
  • die Abkür­zung des Geset­zes (optio­nal).
Überschrift eines Gesetzentwurfs.
Beispiel für eine Über­schrift: „Gesetz zur Stär­kung der Versor­gung in der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung“ ist die Bezeich­nung, „GKV-Verstär­kungs­ge­setz“ die Kurz­be­zeich­nung und „GKV-VSG“ die Abkürzung.

Der Über­schrift schließt sich die obli­ga­to­ri­sche Eingangs­for­mel an. Diese gibt darüber Auskunft, wer das Gesetz beschlos­sen hat, und gege­be­nen­falls ob das Gesetz einer beson­de­ren Mehr­heit und ob es der Zustim­mung des Bundes­ra­tes bedarf. 

Eingangsformel des GKV-Verstärkungsgesetzes
Die Eingangs­for­mel des GKV-Verstärkungsgesetzes.

Im Anschluss folgen die einzel­nen Vorschrif­ten des Gesetz­ent­wurfs. Dabei kann es sich zusam­men­ge­nom­men beispiels­wei­se um die Einfüh­rung eines neuen Stamm­ge­set­zes in Form einer Einzel­no­vel­le handeln.

Viel wahr­schein­li­cher ist es jedoch, dass es sich bei dem Gesetz­ent­wurf um ein soge­nann­tes Mantel­ge­setz handelt. Gemeint ist hier­mit eine beson­de­re Gestal­tungs­mög­lich­keit, die es dem Gesetz­ge­ber ermög­licht, verschie­de­ne Stamm­ge­set­ze, die in einem Rege­lungs­zu­sam­men­hang stehen, mittels eines einzi­gen Recht­set­zungs­akts abzu­han­deln – der Gesetz­ent­wurf „umman­telt“ somit die verschie­de­nen Stammgesetze.

Geglie­dert wird ein Mantel­ge­setz in Arti­kel, die fort­lau­fend numme­riert werden. Für jedes Stamm­ge­setz ist dabei jeweils ein eige­ner Arti­kel zu bilden. In jedem Arti­kel finden sich wieder­um – eben­falls durch­num­me­riert – redak­tio­nell Anwei­sun­gen (soge­nann­te Ände­rungs­be­feh­le), mit denen Text­pas­sa­gen ange­fügt, gestri­chen, verscho­ben usw. werden.

Änderungsbefehle in einem Gesetzentwurf
Das Beispiel zeigt Ände­rungs­be­feh­le in Arti­kel 15 des GKV-Verstär­kungs­ge­set­zes, dass die Ände­rung der Zulas­sungs­ver­ord­nung für Vertrags­ärz­te zum Inhalt hat.

3. Die Begründung

Von beson­de­rer Bedeu­tung ist die Geset­zes­be­grün­dung. Denn diese liefert wich­ti­ge Hinter­grund­in­for­ma­tio­nen zum Gesetz­ent­wurf und gibt zugleich das zugrund­lie­gen­de Verständ­nis des Gesetz­ge­bers wider, was die Begrün­dung zur Primär­quel­le für eine späte­re Rechts­aus­le­gung (zum Beispiel durch die Judi­ka­ti­ve) macht.

Die Geset­zes­be­grün­dung glie­dert sich übli­cher­wei­se in einen ersten Allge­mei­nen Teil (Teil A) und in einen zwei­ten Beson­de­ren Teil (Teil B). Der Allge­mei­ne Teil befasst sich mit der grund­sätz­li­chen Ziel­set­zung des Entwurfs, beschreibt den zugrund­lie­gen­den Sach­ver­halt sowie die maßgeb­li­chen Erkennt­nis­quel­len und fasst die wesent­li­chen Rege­lun­gen zusam­men. Wenn man so möch­te, handelt es sich bei dem Allge­mei­nen Teil um eine ausführ­li­che­re Fassung des Vorblatts.

Als Hilfe­stel­lung für die Geset­zes­ver­fas­ser bietet § 43 Absatz 1 GGO einen Kata­log der in einer Geset­zes­be­grün­dung anzu­spre­chen­den Aspekte: 

  1. die Ziel­set­zung und Notwen­dig­keit des Gesetz­ent­wurfs und seiner Einzelvorschriften
  2. welcher Sach­ver­halt dem Entwurf zugrun­de liegt und auf welchen Erkennt­nis­quel­len er beruht,
  3. ob ande­re Lösungs­mög­lich­kei­ten bestehen und ob eine Erle­di­gung der Aufga­be durch Priva­te möglich ist, gege­be­nen­falls welche Erwä­gun­gen zu ihrer Ableh­nung geführt haben,
  4. ob Mittei­lungs­pflich­ten, ande­re admi­nis­tra­ti­ve Pflich­ten oder Geneh­mi­gungs­vor­be­hal­te mit entspre­chen­den staat­li­chen Über­wa­chungs- und Geneh­mi­gungs­ver­fah­ren einge­führt oder erwei­tert werden und welche Grün­de dage­gen spre­chen, sie durch eine recht­li­che Selbst­ver­pflich­tung des Norm­adres­sa­ten zu ersetzen,
  5. die Geset­zes­fol­gen (§ 44 GGO),
  6. welche Erwä­gun­gen der Fest­le­gung zum Inkraft­tre­ten zugrun­de liegen, zum Beispiel für den Voll­zug in orga­ni­sa­to­ri­scher, tech­ni­scher und haus­halts­mä­ßi­ger Hinsicht, und ob das Gesetz befris­tet werden kann,
  7. ob der Gesetz­ent­wurf eine Rechts- und Verwal­tungs­ver­ein­fa­chung vorsieht, insbe­son­de­re ob er gelten­de Vorschrif­ten verein­facht oder entbehr­lich macht,
  8. Bezü­ge zum und Verein­bar­keit mit dem Recht der Euro­päi­schen Union,
  9. inwie­weit im Falle der Umset­zung einer Richt­li­nie oder sons­ti­ger Rechts­ak­te der Euro­päi­schen Union über deren Vorga­ben hinaus weite­re Rege­lun­gen getrof­fen werden,
  10. ob der Entwurf mit völker­recht­li­chen Verträ­gen, die Deutsch­land abge­schlos­sen hat, verein­bar ist,
  11. die Ände­run­gen zur gelten­den Rechtslage,
  12. ob Arti­kel 72 Absatz 3 oder Arti­kel 84 Absatz 1 Satz 3 GG Beson­der­hei­ten beim Inkraft­tre­ten begrün­den und wie diesen gege­be­nen­falls Rech­nung getra­gen worden ist.

Dieser Kata­log ist jedoch weder strikt noch sche­ma­tisch anzu­wen­den. Viel­mehr sind in der Begrün­dung nur dieje­ni­gen Punk­te zu behan­deln, die für das Vorha­ben auch tatsäch­lich von Bedeu­tung sind.

Begründung zu einer Einzelvorschrift
Auszug aus dem Beson­de­ren Teil.

Bezweckt der Allge­mei­ne Teil noch eine umfas­sen­de Begrün­dung des gesam­ten Geset­zes­vor­ha­bens, zielt der Beson­de­re Teil auf eine Begrün­dung der mit dem Entwurf einher­ge­hen­den Einzel­vor­schrif­ten (Para­gra­fen). Prak­tisch bedeu­tet es, dass zu jedem einzel­nen Ände­rungs­be­fehl (siehe oben) eines jeden Arti­kels des Entwurfstexts eine korre­spon­die­ren­der Begrün­dungs­text im Beson­de­ren Teil formu­liert sein muss. Dadurch soll das grund­sätz­li­che Verständ­nis und die Bewer­tung der Einzel­vor­schrif­ten erleich­tert werden.

Der Aufbau des Beson­de­ren Teils folgt in Hinblick der Reihen­fol­ge und der Numme­rie­rung der Struk­tur des Gesetz­ent­wurfs. So soll der Lese­rin bzw. dem Leser eine schnel­le Orien­tie­rung ermög­licht werden.

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